SRG und Private – eine heikle Beziehung
Susanne Wille, Generaldirektorin der SRG, erlebt gerade gute Zeiten. Die Medienbranche feiert sie als Brückenbauerin. Gar von einem historischen Moment ist die Rede, weil sie als SRG-Vertreterin mit dem Verlegerverband eine Übereinkunft getroffen hat, welche nicht zuletzt eine Selbstbeschränkung des öffentlichen Rundfunks umfasst. Nur die Zürcher Mediengruppe Tamedia schert aus und verlangt eine weiterreichende Zurückdrängung der SRG.
Der Bonus der «Anfängerin»
Erst seit November 2024 sitzt Susanne Wille auf dem politisch exponierten Chefsessel. Sie profitiert – unabhängig von ihrem Charme und ihrem Verhandlungsgeschick – noch vom Bonus der «Anfängerin». Schaut man in die jüngere Mediengeschichte, handelt es sich hier um ein vergängliches Glück. Beobachter und Interessenvertreter begrüssen die Neuen – ob SRG-Chefs oder Medienminister – jeweils freundlich mit dem Beisatz, dass nun endlich jemand da sei, der zuhöre und Verständnis habe für die Sorgen der Privatwirtschaft. Das Einvernehmen dauert meist nicht lange. Denn die Interessengegensätze rücken recht schnell wieder in den Vordergrund. Und gegen Ende der Job-Periode der einst Beklatschten heisst es dann wieder: Endlich kommt ein Neuer, ein Netterer.
Die jetzige Übereinkunft von SRG und Pressevertretern ist zweifellos begünstigt worden durch politischen Druck. Dem öffentlichen Rundfunk droht die Halbierungsinitiative, die für ihn etwas gefährlicher werden dürfte als die Abschaffungs-Initiative (No Billag), die das Volk vor sieben Jahren deutlich abgelehnt hat (71,6 Prozent Nein-Stimmen). Auch damals setzte der Verlegerverband Druck auf, um die SRG weichzuklopfen. Angesichts der derzeitigen medienpolitischen Konstellation haben die Verleger nun – wenig überraschend – mehr erreicht. Dafür bekommt die SRG deren Bekenntnis, die Halbierungsinitiative abzulehnen. Wie gross wird diese medienpolitische Entlastung sein?
Unabhängiger Journalismus?
Unabhängigen Medienjournalismus gibt es auf den Plattformen der grossen Informationsverbreiter praktisch nicht mehr. Aber das Gebot der redaktionellen Unabhängigkeit gegenüber kommerziellen Interessen der Besitzer wurde natürlich nicht abgeschafft. Dass Tamedia gegenüber der SRG einen härteren Kurs fährt, ist zeitgeschichtlich gesehen keine Neuigkeit. Die Vorgänger des jetzigen Chefs, Pietro Supino, handelten ähnlich. Man darf annehmen, dass die Tamedia-Redaktionen bei diesem Thema weiterhin milder gestimmt sein werden als ihr «grosser Vorsitzender».
Die von Peter Wanner geschmiedete CH-Media, die mit ihren Tätigkeiten im Privatfernsehen zu einem direkten Konkurrenten der SRG geworden ist, begrüsst hingegen die Übereinkunft, da die SRG nicht zuletzt im Sportbereich zu Konzessionen bereit ist. Man wird sehen, wie die Berichterstattung dieser Mediengruppe in dieser Sache verlaufen wird. Eine SRG-kritische Haltung würde den kommerziellen Interessen jedenfalls nicht zuwiderlaufen, da ein gewisser Druck auf den öffentlichen Rundfunk ja nie schädlich sein kann. Dieser soll ja nicht plötzlich wieder expansive Allüren entwickeln.
Betrachten wir die einzelnen Punkte der Übereinkunft.
Kooperation im Sportbereich
Gemäss der Medienmitteilung will sich die SRG auf Bereiche konzentrieren, welche die kommerziellen Anbieter nicht abdecken. Bei der Auswahl von Rechten an Sportübertragungen erklärt sich die SRG bereit, mehr Rücksicht auf private Anbieter zu nehmen und dabei auch Kooperationen wie Bietergemeinschaften in Betracht zu ziehen. Faktisch heisst dies: Mehr Einvernehmen zwischen dem öffentlichen Rundfunk und CH-Media. Man wird sehen, was das tatsächlich bedeuten wird, etwa in Bezug auf grössere Sportereignisse im Fussball- und Ski-Bereich.
Wie weit wird die SRG als potenter Akteur, der ein grosses Interesse an beliebten Sportveranstaltungen haben muss, dem Privaten entgegenkommen? Das Zoff-Risiko bleibt gross. Kommt hinzu, dass bei allzu klaren Absprachen das Kartell-Risiko droht. Das Schweizer TV-Sportgeschäft ist strukturell verzerrt, weil nur drei oder vier Akteure mitmischen. Und falls ein ausländischer Akteur auftauchen sollte, könnte es für die schweizerischen aus finanziellen Gründen schnell eng werden.
Kürzere Text-Beiträge der SRG
Die SRG begrenzt im Online-Bereich ihre textlichen Versionen von Audio- und Video-Produktionen auf 2400 Zeichen pro Beitrag. Das ist eine deutliche Einschränkung der bisherigen Praxis. Mit 2400 Zeichen verfügt die SRG aber immer noch über etliche Bewegungsfreiheit. Sie sollte hier nach Ansicht von Pietro Supino deutlich weniger Spielraum haben. Die Verleger argumentieren auch damit, dass die frei zugänglichen Online-Tätigkeiten der SRG das Geschäft mit digitalen Abonnements beeinträchtigen. Dieses Schadenspotenzial bleibt allerdings begrenzt, solange die Verlage eigene potente Gratis-Angebote haben. Nicht zuletzt «20 Minuten» ist ein fleissiger und schneller Verwerter von Informationen und Recherchen der kostenpflichtigen Presse-Angebote. Wer keine tieferen Erkenntnisse wünscht, ist dank den Publikationen von «20 Minuten» bereits gut bedient.
Weniger Präsenz auf Youtube
Seltsam mutet an, dass die SRG ausländische Plattformen wie Youtube oder Instagram künftig nur ausnahmsweise benutzen will. Die SRG sollte ihr Publikum dort erreichen, wo dieses sich aufhält. Ein Teil der Medienkonsumenten bevorzugt die Social Media. Das ist eine Tatsache, die jeder Anbieter berücksichtigen muss.
Wenn es allerdings gelänge, einen grösseren Teil dieses Publikums auf die eigenen Plattformen zurückzuholen, wäre das gewiss vorteilhaft, auch mit Blick auf die gesamte Schweizer Medienbranche. Dies würde zudem deren Position auf dem Werbemarkt verbessern. Die SRG will in diesem Zusammenhang «den Grossteil ihrer Online-Marketingmittel» bei privaten Schweizer Medienhäusern investieren. Das entbindet sie allerdings nicht von ihrem öffentlichen Auftrag, ihre Mittel effizient und sachgerecht einzusetzen. Ihre branchenpolitische Selbstverpflichtung schafft hier einen gewissen Zielkonflikt.
Die SRG will ferner mitmachen beim Versuch, eine Schweizer Login-Lösung fortzuentwickeln. Die Verlage sind an einer Beteiligung der SRG interessiert, weil dies ihr Ziel vereinfacht, die hiesigen Nutzer zu einer persönlichen Anmeldung für ihre Online-Angebote zu verpflichten, was wiederum die Vermarktung von Werbeplätzen der Privaten erleichtern soll. Auch dies ist ein heikler Punkt. Da die SRG durch die Allgemeinheit finanziert wird, müssen ihre Angebote möglichst ohne Schranken zugänglich sein.
Gegen Ausbeutung durch KI
Schliesslich erklärt sich die SRG bereit, ihre Angebote für KI-Systeme zu sperren, sofern dies die führenden Verlage ebenfalls tun. Hier geht es um die Verhinderung einer unerwünschten Ausbeutung von Schweizer Produktionen durch Künstliche Intelligenz, vor allem dann, wenn die KI-Entwickler die Medienanbieter für die computergestützte Nutzung ihrer Produkte nicht entschädigen. In diesem Bereich bestehen urheberrechtliche Lücken, die es zu schliessen gilt. Ein britisches Medienhaus meldete jüngst, dass seine digitale Reichweite um die Hälfte eingebrochen sei, seitdem ein KI-System seine Nachrichten in einer Kurzversion auswerte. Eine solche Entwicklung könnte fatale Folgen für die Medienbranche haben.
Leistungsschutzrecht – ein faules Ei
In diesem Zusammenhang solidarisiert sich die SRG auch mit dem Versuch der Schweizer Presse, ein sogenanntes Leistungsschutzrecht einzuführen. Ein entsprechendes Gesetzeswerk steht kurz vor der parlamentarischen Behandlung. Hier handelt es sich allerdings um ein faules Ei. Die Verlage behaupten wider besseres Wissen, die US-Technologiekonzerne würden ihre Informationsprodukte ohne Entschädigung kommerziell auswerten. Das stimmt nicht, auch wenn der Bundesrat im Sinn der Verlage redet. Die US-Konzerne verwerten vielmehr mit ihren Suchmaschinen Hinweis-Texte der Medienanbieter und steigern damit deren Reichweite. In diesem Fall könnten US-Präsident Trump und seine Kumpane mit einigem Recht behaupten, den US-Konzernen werde hierzulande eine Sondersteuer aufgelegt – zur Finanzierung nationaler Medien.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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